„Aufwachen, Ella! Es geht los! Heute können wir endlich die Nixe vom Karer See suchen gehen“, ruft Lio seiner Freundin, der Elster, zu. Ausgerüstet mit dem Fahrrad und einem Lunchpaket nehmen sie die Kabinenbahn zur Frommer Alm. Eine alte Legende besagt, dass eine wunderschöne Wasserjungfrau im Wasser des Bergsees lebt, die man im Herbst oft beobachten kann, wie sie am Ufer sitzt, ihre blonden Zöpfe flicht und dabei wunderschöne Lieder singt.
Oben angekommen tritt Lio freudig in die Pedale. Der Schotterweg ist für ihn ganz leicht zu meistern, hat er doch schon oft im Bikepark geübt. Vorbei an der Ochsenhütte geht es bis zum Karerpass. Während Lio fleißig radelt, passt Ella auf, dass Lio auch ja keine Besonderheiten am Weg übersieht. Dann geht es steiler hinunter. Lio jauchzt vor Freude, er liebt es, den Fahrtwind im Gesicht zu spüren. Noch einmal rechts abbiegen und schon sieht er vor sich etwas funkeln: den Karer See. Gemeinsam suchen die Freunde einen schönen Picknickplatz am Ufer des Sees. Von hier aus haben sie einen guten Blick auf die Wasserfläche, falls die Nixe erscheint.
Zum Glück ist rund um den See nicht viel los, denn Ella und Lio befürchten, das könnte die Seejungfrau erschrecken und davon abhalten sich zu zeigen. Das ständige Beobachten ist übrigens gar nicht so einfach, denn das Radfahren hat müde gemacht und Ella hat Lio schon ein paar Mal dabei erwischt, wie ihm fast die Augen zufallen. Doch plötzlich entdecken Ellas scharfe Elsternaugen einen Schimmer am anderen Ende des Sees. Ein Pick mit dem Schnabel an Lios Stirn lässt ihn sofort aufschrecken, und leise beobachten sie das eigenartige Funkeln. Am anderen Seeufer ist tatsächlich ein wunderschönes Mädchen mit langen, blonden Haaren und blickt auf das Wasser. Die beiden Beobachter halten die Luft an, aus Angst das Märchenwesen zu verscheuchen. Verzückt sehen sie ihr dabei zu, wie sie die Füße ins Wasser hängt. „Sie hat gar keine Flosse“, meint Ella staunend. Und Lio flüstert: „Ja, klar. Die Flosse hat sich ja nur, wenn sie im Wasser schwimmt.“ Auf einmal sind von der rechten Seite laute Geräusche zu hören. Es nähert sich eine Gruppe Fußgänger. Nach einem Blick in Richtung des Lärms schaut Lio wieder auf das gegenüberliegende Ufer. Doch die Seejungfrau ist verschwunden.
„Wir haben sie gesehen!“, jubelt Lio und führt mit Ella einen Freudentanz auf. Glücklich machen sie sich auf den Heimweg. Schnell und gekonnt nimmt Lio die Kurven hinunter ins Tal. Und schon bald stürmen die beiden Freunde freudestrahlend in das Hotel Maria. Doch schon an der Rezeption bleibt Lio wie vom Donner gerührt stehen. Vor ihm steht nämlich niemand anderes als die sagenhafte Nixe „Was, … wer, … wie kann das sein? Wer bist du?“, stammelt Lio. Da beginnt das Mädchen leise zu lachen und sagt: „Ihr zwei seht aus als hättet ihr einen Geist gesehen. Ich bin Liana und mache hier eine Woche Urlaub mit meinen Eltern und wer seid ihr überhaupt?“. Da müssen auch Lio und Ella lauthals lachen und klären den Irrtum auf.